Lernen und Arbeiten im 21. Jahrhundert
Fachkongress des ddn-Netzwerks Hamburg zur Digitalisierung der Arbeitswelt
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Unternehmen machen BGM zur Chefsache
Klaus-Dieter Nowas, innerbetriebliches Gesundheitsmanagement bei der Techniker Krankenkasse und Britt Voß, betriebliches Gesundheitsmanagement der Nestlé Deutschland AG am Produktionsstandort Hamburg, sind sich einig: BGM ist vom Nice-to-have längst zur Notwendigkeit geworden. Denn Fachkräfte zu halten – und zwar gesund bis zum Renteneintritt –, wird angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels unerlässlich.
Zwei Faktoren sind aus ihrer Sicht essenziell für ein erfolgreiches BGM: zum einen die systematische und konsequente Einführung eines Gesamtkonzepts mit präventivem Charakter und zum anderen die Unterstützung durch die Unternehmensleitung. "Die gesundheitlichen Probleme sind größer geworden und erfordern ein effektives BGM. Dafür sind grundsätzlich eigene Ressourcen und Strukturen nötig. Bei uns ist BGM im Personalbereich angesiedelt und zwar gleichwertig zur Personalbetreuung", sagte Voß. Auch bei der Techniker Krankenkasse ist das interne BGM sehr bewusst der Personalentwicklung zugeordnet. "Gesundheit ist für uns Teil der Personalentwicklung, denn dort wird auch das Thema Führung supportet, das so unerlässlich für den BGM-Prozess ist", sagt Nowas.
In den Gruppendiskussionen ergänzten die Teilnehmer/-innen, dass gesundheitsbewusstes Verhalten als Ziel in der Unternehmenskultur verankert werden müsse und dass Führungskräfte als Vorbilder agieren sollten. Die Mitarbeiter/-innen ziehen mit, wenn der Vorgesetzte die Angebote auch selbst wahrnimmt und zum Mitmachen motiviert.
Ein weiterer Erfolgsfaktor in den Best-Practice-Unternehmen ist die Einbeziehung aller betrieblichen Akteure/-innen und die Kommunikation der Maßnahmen, um Vertrauen zu schaffen. Im Nestlé Werk Hamburg sitzen Werksleitung und Führungskräfte, Betriebsrat und Betriebsarzt an einem Tisch und ziehen interne und externe Fachstellen hinzu. Bei der Bandarbeit stehen ergonomische Maßnahmen an erster Stelle. Sogenannte innerbetrieblich qualifizierte "Ergo-Scouts" sind vor Ort und unterstützen die Mitarbeiter/-innen dabei, den Arbeitsplatz ergonomisch einzurichten, zeigen den Kollegen/-innen arbeitsplatzspezifische Entlastungsübungen oder demonstrieren einen ergonomischeren Bewegungsablauf.
Die Techniker Krankenkasse setzt auf dezentrale Gesundheitsnetzwerke, die aus der Leitung der Organisationseinheit, der Mitarbeitervertretung, der Gleichstellungsbeauftragten, der Vertretung der Personalabteilung sowie aus Vertretern/-innen der Führungskräfte, der Teamleiter und der Teams bestehen. Die Netzwerke ziehen für die Arbeit am Standort Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsmediziner und externe Mitarbeiterberater/-innen hinzu. Ein zentrales innerbetriebliches Gesundheitsmanagement steht den dezentralen Netzwerken zur Seite.
Die Impulsbeiträge warfen in den Gruppen die Frage auf, wie Mitarbeiter/-innen zur langfristigen Nutzung der BGM-Angebote und zur Eigenverantwortung für ihre Gesundheit motiviert werden könnten. Die Teilnehmer/-innen arbeiteten heraus, dass Wertschätzung, eine klare, zielgruppengerechte Kommunikation sowie Möglichkeiten zur Einflussnahme die Eigenverantwortung stärken würden. Auch ein Entgegenkommen des Arbeitgebers zahle sich aus, indem Arbeitszeit und Freizeit anteilig für die Nutzung der BGM-Angebote eingebracht werden.
Auf die Frage, ob es unterschiedliche Anforderungen an das BGM für Tätigkeiten in der Produktion und im Büro gebe, antwortete Voß: "Das Band läuft aus betrieblichen Gründen Tag und Nacht, das stellt uns vor besondere Herausforderungen. Es sind beispielsweise nur bedingt bewegte Pausen am Arbeitsplatz möglich." Die zunehmende Anzahl von Mitarbeitern/-innen, die aus medizinischen Gründen nur noch eingeschränkt im Schichtbetrieb einsetzbar sind, auch teilweise Jüngere, sieht sie als problematische Entwicklung für den Betrieb. Nach ihrer Erfahrung ist besonders in der Produktion eine stärkere Sensibilisierung für präventive Maßnahmen notwendig.
Prävention steht auch für Nowas an erster Stelle: "Der Krankenstand markiert nur die Spitze des Eisbergs, wesentlichere Verluste entstehen durch nicht eingebrachte potenzielle Leistungen und körperliche wie psychische Belastungen." Bei Bürotätigkeiten stehen Rückenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden sowie psychische Belastungen an erster Stelle.
Ein Thema für den weiteren Austausch im Forum wäre die Frage nach einem effektiven Gesundheitscontrolling. Nowas sieht z. B. in der Mitarbeiterbefragung ein geeignetes Instrument. Bei der Techniker Krankenkasse wird eine umfangreiche Gesundheitsbefragung durchgeführt, die zwei Dingen dient: 1., um die Gesundheitssituation des Unternehmens darzustellen, und 2., um die Wirksamkeit gesundheitsförderlicher Maßnahmen zu messen. Die gute Nachricht – auch für kleinere Unternehmen – sei, dass Maßnahmen der Gesundheitsförderung nicht unbedingt (viel) Geld kosten: bewegte Pausen, gegenseitige Wertschätzung oder eine Optimierung der Arbeitsabläufe sind nur einige Anregungen.
Voß ist sich jedoch der Grenzen von BGM bewusst: "BGM steht bei uns ganz oben, aber trotz aller Bemühungen werden wir nie alle Mitarbeiter/-innen erreichen. Stattdessen lohnt es sich, die Motivierten zu fördern. Eine Erfolgsquote von 70 bis 80 Prozent ist schon ein sehr gutes Ergebnis."
Die BGM-Arbeitskreise laden zur Mitarbeit ein:
• Betriebliches Eingliederungsmanagement, Kontakt: matthias.gillmann@faw.de
• BGM nachhaltig im Betrieb verankern, Kontakt: marco.stender@fuerstenberg-institut.de
• Arbeit demographiegerecht gestalten, Kontakt: marc.schubert@de.tuv.com
• Gesunde Führung, Kontakt: evelyn.juers@gfgr.de
Die aktuellen Termine finden Sie unter http://hamburg.ddn-regionalnetzwerk.de/hamburg-termine.html.
Präsentationen zum Download:
• Betriebliches Gesundheitsmanagement bei der Techniker Krankenkasse
• Betriebliches Gesundheitsmanagement im Nestlé Werk Hamburg