Lernen und Arbeiten im 21. Jahrhundert
Fachkongress des ddn-Netzwerks Hamburg zur Digitalisierung der Arbeitswelt
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Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
In ihrem Eingangsvortrag informierte Dr. Sabine Eligehausen vom Amt für Arbeitsschutz über die Anforderungen an eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Unternehmen sind zwar seit 1997 gesetzlich dazu verpflichtet, psychische Belastungen am Arbeitsplatz zu erheben, die Verankerung im Arbeitsschutzgesetz im Jahr 2013 gab dem Thema aber noch einmal zusätzliche Brisanz.
Das Hamburger Arbeitsschutzmodell fokussiert vor allem auf Beratung und Systemkontrolle. Laut Dr. Eligehausen sind sieben Schritte maßgeblich für eine erfolgreiche Gefährdungsbeurteilung. Die Hauptursachen psychischer Belastungen seien die Arbeitszeitorganisation, die physikalische Umgebung, z. B. durch Lärm, und die Arbeitsbeziehungen. Ob Stress zu einer Erkrankung führt, hängt außerdem von den individuellen Ressourcen, der Dauer der Belastung sowie vom privaten und beruflichen Umfeld ab. Die Referentin stellte in ihrer Präsentation verschiedene Methoden und Analyseverfahren vor. Ausschlaggebend für die Begutachtung durch das Amt für Arbeitsschutz sei der Nachweis eines systematischen und plausiblen Prozesses. Kontinuierliche Verbesserung und die Umsetzung erster Maßnahmen sind erforderlich. Erfolgsfaktoren sieht Dr. Eligehausen in der Unterstützung durch die Unternehmensleitung und die frühzeitige Einbeziehung der Mitarbeiter/-innen. Sie rät Unternehmen, beim aktuellen Problemdruck anzusetzen und bereits vorhandene Maßnahmen einzubeziehen.
Neue Herausforderungen waren in der Facharztklinik Hamburg Auslöser für ein systematisches Herangehen an die Gefährdungsbeurteilung: Change Prozesse im Unternehmen, ein hohes Durchschnittsalter der Beschäftigten und akuter Bedarf an motivierten und qualifizierten Mitarbeitern/-innen. Die Unternehmensleitung entschied sich im Jahre 2010 für eine Mitarbeiterbefragung zur psychosozialen Gesundheit, um auf Basis der Ergebnisse passgenaue Maßnahmen zu entwickeln. Die Befragung wurde vier Jahre später wiederholt. Der Erfolg zeigte sich in einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit, einer gute Bewerberlage und in der Bindung älterer Mitarbeiter/-innen an das Unternehmen.
Veränderungsprozesse veranlassten auch die Berufsgenossenschaft Holz und Metall, die Gefährdungsbeurteilung anzugehen. Rund 40 Prozent der Mitarbeiter/-innen nahmen das Angebot des Arbeitgebers zur Telearbeit an, was ganz neue Herausforderungen nach sich zog: Telearbeiter/-innen "entfremden" sich dem Unternehmenssitz, die "Zurückgebliebenen" müssen zusätzliche Aufgaben erfüllen, Vertrauensarbeitszeit steht gegen die Stempeluhr. Eine Herausforderung für die Führung ist es heute, die Mitarbeiter/-innen individuell zu führen und 27 unterschiedliche Arbeitszeitmodelle im Blick zu haben. Eine geplante EDV-Umstellung mit veränderten Prozessabläufen gab den Ausschlag, um eine Mitarbeiterbefragung mit der Erfassung psychischer Belastungen durchzuführen. Anschließend wurden als Benchmarks die Kennzahlen des öffentlichen Dienstes herangezogen. Erste Maßnahmen sind jetzt in der Umsetzung.
Für die Philips Deutschland GmbH ist es wichtig, die Firmenvision "Lebensqualität der Menschen mit sinnvollen Innovationen verbessern" auch intern zu leben. Deshalb setzte das Unternehmen mit dem Programm "Philips in Balance" zunächst Maßnahmen wie Rückencoaching und Gesundheitscoaching um und implementierte eine Reihe anderer Angebote des Gesundheitsmanagements, beispielsweise die kollegialen Ansprechpartner, das BEM-Team oder die Kooperation mit dem pme Familienservice und mit Asklepios Connecting Health. Die psychische Gefährdungsbeurteilung soll nun in einem systematischen Prozess eingeführt werden. Hierzu wurde auf Initiative der Unternehmensführung eine Koordinationsgruppe Psychische Gesundheit gebildet, die alle Stakerholder mit einbezieht und für die Bestandsaufnahme, Festlegung der Verantwortlichkeiten und Kommunikation zuständig ist. Eine Arbeitsgruppe Psychische Belastungen unter Federführung des Arbeitsschutzausschusses übernimmt die inhaltliche Ausgestaltung. Das Roll-out des Projektes findet im September 2015 statt.
In drei Workshops standen die Referenten/-innen den Teilnehmern/-innen für eine vertiefte Diskussion zur Verfügung. Wenn Sie an dem Thema Gefährdungsbeurteilung weiterarbeiten möchten, senden Sie bitte eine E-Mail an schellhas@kwb.de. Wir werden Sie dann in Kürze zu einem Austausch im Rahmen eines Arbeitskreises einladen.
Präsentationen zum Download:
Dr. Sabine Eligehausen, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, Amt für Arbeitsschutz
Christian Ernst, Facharztklinik Hamburg
Thomas Grap, Berufsgenossenschaft Holz und Metall