Lernen und Arbeiten im 21. Jahrhundert

Fachkongress des ddn-Netzwerks Hamburg zur Digitalisierung der Arbeitswelt

14.06.2018

Diversity & Inklusion

Kick-off für inklusive Ausbildung in Unternehmen

Unternehmen nutzten die Gelegenheit, sich
Informationen und Tipps für die Einführung
inklusiver Ausbildung einzuholen.

"Wir spielen schon länger mit dem Gedanken, Menschen mit Behinderung auszubilden. Ich hoffe, dafür heute die letzten Informationen und noch mal den nötigen Schwung zu bekommen", so eine Unternehmensvertreterin auf der Fachveranstaltung "Diversity & Inklusion. Kick-off für betriebliche Ausbildung" am 13. Juni 2018. Der Impulsvortrag von Klaus Becker, Geschäftsstellenleiter bei der Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen, als auch die Fachforen der Agentur für Arbeit und nicht zuletzt die vielen motivierenden Praxisbeispiele von Unternehmen, die auf der Veranstaltung präsentiert wurden, schafften die besten Voraussetzungen zur Einführung von erfolgreicher inklusiver Ausbildung in Betrieben.

 
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"Warum sollte eine Rollstuhlfahrerin die Nachrichten schlechter vortragen?", fragte Klaus Becker in seinem Vortrag.

"Inklusion bedeutet, sich vorher zu überlegen, wer später alles teilhaben soll", so Klaus Becker, Geschäftsstellenleiter bei der Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen. Auf diesem Weg müsse man ausgeschlossene Gruppen nicht im Nachhinein integrieren, sondern öffne sich von Anfang an für alle Potenziale. "Menschen mit Beeinträchtigung sind häufig ausgebildete Fachkräfte, oft besonders motiviert und der Grad der Behinderung muss nicht mal Einfluss auf die Leistung haben", führte er aus. Es müssten Barrieren in den Köpfen überwunden werden.Das BHH Sozialkontor hat diese Barrieren bereits überwunden. Seit drei Jahren ist David Demke bei ihnen angestellt. Demke arbeitet dort trotz seiner Gehörlosigkeit als Pflegedienstleiter. In dieser Führungsposition leitet er 40 Mitarbeiter/-innen, führt Bewerbungsgespräche und nimmt an allen Sitzungen mit Unterstützung von Gebärdendolmetschern/-innen teil. Für spontane Gespräche etwa mit Angehörigen werden die Dolmetscher/-innen mit einem Ton-Bild-Dienst zugeschaltet. Technische Hilfen ermöglichen die Kommunikation im Alltag: "Die Klingel auf dem Flur gehört längst der Vergangenheit an, stattdessen vibriert oder blinkt mein Stationshandy und ich weiß immer ganz genau, wer in welchem Zimmer Unterstützung braucht", erklärte er. "In der Zusammenarbeit mit unseren dementen Patienten ist sprachliche Kommunikation aber ohnehin häufig nicht gut möglich", erzählt Demke. "Da habe ich mit meiner Stärke der visuellen Kommunikation und Einschätzung durch Sehen und Fühlen, wie es dem Patienten geht, sogar Vorteile."

Ein Dolmetscher übersetzt das Gespräch zwischen
David Demke und Dr. Oliver Borszik.

Oliver Bruderek, Ausbildungsleiter des BHH Sozialkontors, ergänzt: "Nachdem die Unsicherheiten im Umgang unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geklärt waren, lief es sehr gut. Wir haben alle viel voneinander gelernt." Sein Appell an Unternehmen: "Mut haben und einfach mal machen!"

Vor seinem Fernstudium hat David Demke eine Ausbildung in der Pflegeschule Hamburg-Alstertal gemacht. Schulleiterin Imme Backhaus berichtet: "Wir konnten uns schnell auf die neue Situation einrichten. Außer der Notwendigkeit einer Dolmetscherin und etwas mehr Ruhe im Unterricht, konnten wir die Ausbildung ohne irgendwelche Einschränkungen für Schülerschaft und Lehrkräfte durchführen."

 

Inga Müller berichtete im Forum für den Einzelhandel
von ihrem Engagement bei der inklusiven Ausbildung
bei EDEKA.

Die erfolgreiche Inklusion durch das BHH Sozialkontor ist aber kein Einzelfall – das verdeutlichten die Best-Practice-Unternehmen in den Foren des Fachtages. Inga Müller von EDEKA Müller berichtete von ihren Auszubildenden mit Behinderung. "Sie gehören zu meinen treuesten Mitarbeitern", berichtet sie den Teilnehmern/-innen ihres Forums. "Was ich mir wünsche, ist, dass inklusive Ausbildung gleich in die Ausbildungseignungsprüfung einbezogen werden würde", so Müllers Idee für mehr inklusive Ausbildung.

Rolf Milting, Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen im Unternehmen Kühne + Nagel leitete das Forum für den IT- und Logistik-Bereich. Anhand der Fallschilderung von zwei Ausbildungen im IT-Bereich – die erfolgreiche Ausbildung einer Person mit Gehbehinderung und die gescheiterte Ausbildung einer Person mit Sehbehinderung – gelang es ihm, die Teilnehmer/-innen seines Forums mit ihren Fragen und Hinweisen einzubinden und einen fallbezogenen Austausch anzuregen. Milting verdeutlichte, wie wichtig es für alle Beteiligten im Unternehmen ist, die Wünsche, Bedürfnisse und Signale der Auszubildenden frühzeitig zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. "Eine Inklusionsvereinbarung kann für ein Unternehmen ein wichtiges Instrument sein, um die erfolgreiche inklusive Ausbildung sicherzustellen", erklärte er abschließend und stellte sich nach dem Forum den Fragen der interessierten Teilnehmer/-innen zur Vorgehensweise beim Erstellen einer Inklusionsvereinbarung zur Verfügung. 

Über 70 Vertreter/-innen von Unternehmen, Institu-
tionen und Trägern folgten der Einladung der KWB.

 Jörn Lamprecht von der Stadtreinigung Hamburg leitete das Forum für das Handwerk. Jährlich stellt die Stadtreinigung etwa 50 Ausbildungsplätze in den Berufen Berufskraftfahrer/-innen, Fachkraft für Kreislauf und Abfallwirtschaft, KFZ-Mechatroniker/-in, Koch/Köchin, Fachinformatik, Büromanagement und im IT-Bereich zur Verfügung und fördert die Einstellung von schwerbehinderten Menschen. Durch seine langjährige Berufserfahrung hat Herr Lamprecht einen potenzialorientierten Blick auf alle Bewerbungen, die bei ihm eingehen, auch diejenigen von Menschen mit Behindertenstatus. Im Forum stellte er Fallbeispiele zum Thema inklusive Ausbildung vor, die anschließend diskutiert wurden. So fiel bei einem Bewerber im Bereich KFZ-Mechatronik mit angeborenen Fehlbildungen an den Händen der Entschluss zur Einstellung. Im zweiten Schritt erfolgte gemeinsam mit dem/der Sicherheitsbeauftragten die Umsetzung, die eine Portion Geduld erforderte, wie etwa die Sonderanfertigung der Arbeitshandschuhe, die ein Hersteller für den neuen Auszubildenden anfertigte. Er hat diese erfolgreich abgeschlossen und ist übernommen worden.

Louisa Eckmann von der Agentur für Arbeit Hamburg steuerte in ihren beiden Foren die Basisinformationen zu inklusiver Ausbildung sowie die Möglichkeiten der finanziellen und organisatorischen Unterstützung bei. "Wenn Sie im Rahmen Ihrer inklusiven Ausbildung Fragen haben, dann greifen Sie zum Hörer und rufen direkt an. Auch wenn Sie nicht wissen, ob es für Ihre geplante Anschaffung finanzielle Unterstützung gibt – Antrag stellen kostet nichts!", motivierte Eckmann die Forumsteilnehmer/-innen sich in einen engen Austausch zu begeben.

Auf der Kick-off-Messe wurden Informationen und
Kontakte ausgetauscht.
Dr. Oliver Borszik von der KWB, der die Veranstaltung maßgeblich konzipiert hat, betonte in seinem Fazit die Bedeutung einer potenzialorientierten Perspektive auf Bewerber/-innen. "Die Veranstaltung hat gezeigt, dass inklusive Ausbildung erfolgreich ist, wenn Potenziale erkannt und gefördert werden und wenn alle Beteiligten miteinander kooperieren." Die Voraussetzungen in Hamburg seien gut, um inklusive Ausbildung zu wagen.

Auf der Kick-off-Messe im Anschluss an die Foren standen zentrale Vertreter/-innen der unterstützenden Träger und Institutionen zum Austausch und zur Beratung zur Verfügung. "Nutzen sie die breite Unterstützerlandschaft um diese neue Bewerbergruppe zu erschließen", forderte Moderatorin Dr. Rita Panesar von der KWB die Unternehmensvertreter/-innen auf.
Das Handout der Veranstaltung mit Programminformationen und einer Übersicht der Messe-Aussteller mit Kontaktdaten kann hier heruntergeladen werden.

 

 

Die Fachveranstaltung "Diversity & Inklusion. Kick-off für betriebliche Ausbildung" wurde von dem KWB-Projekt Fachkräftesicherung bei KMU im Rahmen des Aktionsbündnisses für Bildung und Beschäftigung Hamburg – Hamburger Fachkräftenetzwerk umgesetzt und von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration finanziert. Veranstaltungsort war das BBW Berufsbildungswerk Hamburg.

 Das Veranstaltungsteam v. l.: Janna Bischoff (KWB), Dr. Oliver Borszik (KWB), Monika Ehmke (KWB), Jutta Spormann (BASFI), Dr. Rita Panesar (KWB) und Birgit Sütterlin (BBW)

Fotos © KWB e. V.