Lernen und Arbeiten im 21. Jahrhundert
Fachkongress des ddn-Netzwerks Hamburg zur Digitalisierung der Arbeitswelt
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Hamburger Hochbahn AG setzt mit Teilzeitausbildung auf Familienfreundlichkeit
Junge Erwachsene, die aus familiären Gründen, wie Kinderbetreuung oder Pflege von Angehörigen, eine Ausbildung in Teilzeit absolvieren möchten, haben mit dem KWB-Projekt "ServiceCenter Teilzeitausbildung" eine neue zentrale Anlaufstelle in Hamburg. Das Team des ServiceCenters berät die Teilnehmenden zu allen Themen des Bewerbungsprozesses sowie zu Arbeitszeitenregelung, Kinderbetreuung und Finanzierung des Lebensunterhalts. Ziel ist es, die jungen Erwachsenen erfolgreich und nachhaltig in eine Teilzeitausbildung zu vermitteln. Alina Herrmann (im Bild), Leitung Fachbereich Personalentwicklung und Berufsausbildung bei der Hamburger Hochbahn AG, engagiert sich bereits seit längerer Zeit für das Thema Teilzeitausbildung. Im Interview verrät sie, was das Modell so erfolgreich macht und welche Maßnahmen die HOCHBAHN unternimmt, um auch gerade weibliche Talente für den technischen Bereich zu begeistern.
Frau Herrmann, Annika Jatho hat im August ihre Ausbildung zur Elektronikerin für Geräte und Systeme bei der Hamburger Hochbahn AG begonnen – und das sogar in Teilzeit! War es das erste Mal, dass die Hamburger Hochbahn AG eine Teilzeitausbildung realisiert und was genau hat Sie an dem Modell überzeugt?
Wir bilden bereits seit 2017 zwei Kauffrauen für Dialogmarketing in Teilzeit aus. Bisher haben wir gute Erfahrungen mit diesem Modell gesammelt. Die beiden Auszubildenden sind sehr motiviert und engagiert. Auch die Planung der Arbeitszeiten lässt sich gut realisieren. Die Regelung der Handelskammer, dass bei 75 Prozent der vertraglichen Wochenstunden keine Verlängerung der regulären Ausbildungszeit notwendig ist, hat uns ebenfalls überzeugt. Daher werden wir in den kommenden zwei Jahren die Anzahl an Ausbildungsplätzen in diesem Beruf auf vier erhöhen.
Als einer der größten Arbeitgeber in Hamburg ist es für uns wichtig, das Thema Vielfalt zu stärken – also möglichst verschiedene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für alle Bereiche unseres Unternehmens zu gewinnen. Dieses Vorhaben ist fester Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. So beschäftigen wir uns aktuell unter anderem mit der Erhöhung des Anteils von Frauen – da kann die Teilzeitausbildung zu beitragen. Aber auch unser Bestreben zur besseren Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit macht die Teilzeitausbildung für uns so interessant.
Planen Sie zukünftig, noch weitere Ausbildungsberufe in Teilzeit anzubieten? Und welche Kriterien sind entscheidend, damit eine Teilzeitausbildung erfolgreich absolviert werden kann?
Wir prüfen zurzeit die Ausweitung der Teilzeitausbildung für weitere technische-gewerbliche Ausbildungsberufe.
Um eine Teilzeitausbildung erfolgreich zu absolvieren, bedarf es Anstrengungen auf beiden Seiten. Wir als Ausbildungsunternehmen müssen inhaltliche und zeitliche Anpassungen in der Arbeitszeitplanung vornehmen. Wichtig ist, dass – trotz der reduzierten Wochenarbeitszeit – alle notwendigen Ausbildungsinhalte vermittelt werden. In Frau Jathos Fall bedeutet dies eine Verlängerung der Ausbildungszeit.
Die Teilzeit-Auszubildenden müssen ein hohes Maß an Engagement und eine sehr gute Organisationsfähigkeit mitbringen, um alles unter "einen Hut" zu bekommen. Für den erfolgreichen Verlauf der Ausbildung ist ein regelmäßiger Austausch mit den Ausbildern und Ausbilderinnen wichtig. So können bei Herausforderungen gemeinsam Lösungen gefunden werden. Wenn zum Beispiel der Kindergarten mal nicht verfügbar ist, bieten wir eine Notfall-Kinderbetreuung an.
Die Hamburger Hochbahn AG engagiert sich zusammen mit weiteren Branchengrößen im Beirat des Projekts "ServiceCenter Teilzeitausbildung" für mehr Familienfreundlichkeit in der Hamburger Wirtschaft. Was raten Sie anderen Unternehmen, die familienfreundlicher werden wollen und auch für junge Mütter und Väter attraktivere Arbeitszeitmodelle anbieten möchten?
Wichtig ist es, sich zu informieren und sich bei Institutionen wie dem "ServiceCenter Teilzeitausbildung" oder der Agentur für Arbeit beraten zu lassen. Wir haben frühzeitig Abstimmungen mit der Handelskammer Hamburg vorgenommen. Zusätzlich können zum Beispiel Förderungen durch die Behörde beantragt werden.
Auch die Umsetzung eines Pilotprojektes mit zunächst ein bis zwei Auszubildenden kann hilfreich sein, um erste Erfahrungen zu sammeln.
Dass Mädchen und junge Frauen einen Beruf bzw. eine Ausbildung im technischen Bereich wählen, ist immer noch kein Normalfall. Die Berufswahl von Jugendlichen ist häufig stark von Geschlechterklischees geprägt. Wie müssen sich Unternehmen zukünftig aufstellen, um weibliche Talente für den technischen Bereich zu begeistern?
Es geht hier vor allem darum, Hemmschwellen abzubauen und zu ermutigen. In der Kommunikation nach außen setzen wir so beispielweise auf weibliche Vorbilder und sprechen in Kampagnen auch gezielt Frauen an. Wir zeigen, dass auch Kolleginnen in unseren Werkstätten arbeiten und organisieren regelmäßig Veranstaltungen für Schülerinnen, bei denen sie sich in verschiedenen technisch-gewerblichen Berufen ausprobieren können.
Jedoch müssen wir auch die internen Rahmenbedingungen noch weiter verbessern und beispielsweise mehr Umkleideräume für unsere Mitarbeiterinnen errichten.
Um Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen, führen wir Diversity-Workshops mit Auszubildenden und Ausbildern durch. Hier wollen wir dafür sensibilisieren, dass die Zusammenarbeit von Kolleginnen und Kollegen mit unterschiedlichem Hintergrund, Fähigkeiten und Sichtweisen Chancen für innovative und kreative Lösungen eröffnet.
Liebe Frau Herrmann, vielen Dank für das Gespräch!