Lernen und Arbeiten im 21. Jahrhundert
Fachkongress des ddn-Netzwerks Hamburg zur Digitalisierung der Arbeitswelt
Fachkongress des ddn-Netzwerks Hamburg zur Digitalisierung der Arbeitswelt
"Was erwartet uns im digitalen Wandel und wie halten wir Schritt?" war das Thema, das über 250 Personalverantwortliche aus Hamburger Unternehmen am 27. September im Auswanderermuseum BallinStadt bewegte. Erfolgreiche Ansätze aus der betrieblichen Praxis und Impulsbeiträge der Verantwortlichen aus Wirtschaft und Politik zeigten die Bandbreite der Veränderungen in der Arbeitswelt, der Unternehmenskultur, der betrieblichen Bildung und der Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten auf. Die Impulsgeber/-innen ermutigten die Teilnehmer/-innen, den Gestaltungsspielraum zu nutzen, Chancen wahrzunehmen und Gefährdungen entgegenzuwirken. Der Kongress fand im Rahmen des überregionalen ddn-Aktionstags "Perspektivwechsel 3D – Demographischer Wandel, Digitalisierung und Diversity" statt.
Senatorin Dr. Melanie Leonhard, Präses der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration und Schirmherrin der Veranstaltung, sieht in der Digitalisierung eine der zentralen Herausforderungen zur Fachkräftesicherung.
Entscheidend sei es, "dass wir alle Menschen auf dem Weg in eine digitalisierte Arbeits- und Lebenswelt mitnehmen und auch die Parallelität von digitaler und analoger Welt berücksichtigen", betonte Petra Lotzkat, Staatsrätin der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Sie wies darauf hin, dass rechtliche Regelungen benötigt würden, um Arbeitsverhältnisse abzusichern und die Versorgung im Alter oder bei Krankheit zu gewährleisten. In der Verantwortung sehe sie sowohl die Politik als auch die Unternehmen. Die Behörde unterstützt den Fachkongress sowie das Demographie Netzwerk Hamburg sowohl inhaltlich als auch finanziell.
Wie wichtig der Diskurs mit den Mitarbeitern/-innen sei, hoben sowohl Staatsrätin Petra Lotzkat als auch Reimund Overhage, Referatsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in der Podiumsdiskussion hervor. Das Ministerium habe deshalb den gesellschaftlichen Dialog "Arbeiten 4.0" angestoßen und die Ergebnisse in einem Weißbuch veröffentlicht. "Je eher wir den Wandel anpacken - der unvermeidlich auf uns zukommt - desto größer sind die Gestaltungschancen", konstatierte der Behördenvertreter. Mit dem Qualifizierungschancengesetz und den "Experimentierräumen" sind Unternehmen in den Austausch eingebunden. Overhage verwies auf die zahlreichen Informationsangebote für Unternehmen der Initiative neue Qualität der Arbeit (INQA), die sich die Teilnehmer/-innen des Kongresses direkt am Infostand in der begleitenden Ausstellung mitnehmen konnten.
Uli Wachholtz, Präsident der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein e. V. (UVNord), verwies auf den Fachkräftebedarf und die erforderliche Vermittlung von Digitalkompetenzen in allen Stufen des Bildungssystems. Er forderte den Mittelstand als tragende Säule der Wirtschaft dazu auf, Geschäftsmodelle anzupassen und einen Kulturwandel zu vollziehen, um Wachstums- und Beschäftigungspotenziale auszuschöpfen.
Hansjörg Lüttke, geschäftsführender Vorstand der Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V. (KWB), wies auf die ungleichen Geschwindigkeiten in der digitalen Entwicklung hin, die von Branche zu Branche und von Unternehmen zu Unternehmen variieren. Das Demographie Netzwerk Hamburg stehe Hamburger Unternehmen seit 2012 als Plattform für den Erfahrungsaustausch, die Vorstellung von Best-Practice-Beispielen und die Erarbeitung von innovativen Lösungen zur Verfügung. Neben dem demographischen sei der digitale Wandel das zweite Megathema, das im Netzwerk diskutiert werde. "Der digitale Wandel ist in den Unternehmen angekommen", konstatierten Michael Hennig, Vorstandsmitglied des ddn e. V., sowie Christian Dorn, Techniker Krankenkasse, in der Podiumsrunde. Die Entwicklung sei durch Kunden, Kosten und den globalen Wettbewerb getrieben. "Social Collaboration, agiles Arbeiten, digital gesteuerte Work Flows und ein neues Führungsverständnis prägen zunehmend unsere Arbeitswelt", berichtete Dorn. "Auch das Lernen hat sich verändert und findet heute zu 70 Prozent am Arbeitsplatz, zu 20 Prozent in der Collaboration und nur zu 10 Prozent formell statt". Diese neuen Arbeits- und Lernformen würden von Start-ups übernommen und entsprächen den Erwartungen der jungen Digital Natives. In den Unternehmen treffe aber häufig eine agile Projektwelt auf eingefahrene Strukturen und auf unterschiedliche Haltungen bei den Beschäftigten.
Impressionen des ddn-Fachkongresses 2018:
Alle Fotos: © Jens Hannewald
Praxisforen: Unternehmen im Dialog
Wie sich der digitale Wandel aktuell in den Unternehmen auswirkt und vor welchen Aufgaben Unternehmen heute stehen, zeigten vier Foren mit jeweils zwei bis drei Impulsgebern/-innen auf. Dabei ging es um die veränderten Anforderungen an die Mitarbeiter/-innen, den notwendigen Change in der Unternehmenskultur, die Chancen und Gesundheitsrisiken für die Beschäftigten sowie neue, digitale Lernformen.
In der Zusammenfassung zeigten die Highlights aus den Foren eine Gemeinsamkeit: Es kommt in der digitalen Transformation darauf an, einen Mind Change zu vollziehen, und zwar unternehmens- wie mitarbeiterseitig. Unternehmen müssen ihre Strukturen anpassen, wenn sie im Wettbewerb bestehen möchten: mehr Eigenverantwortung für die Mitarbeiter/-innen, ein neues Führungsverständnis, offenere Teamstrukturen und Team-Feeling, Transparenz, Kommunikation und Vernetzung sowie Raum und Angebote für lebensbegleitendes Lernen. Mitarbeiter/-innen müssen sich öffnen für Veränderung, Eigenverantwortung übernehmen, Kompetenz zur Selbststeuerung erwerben, sich stetig weiterqualifizieren, Wissen teilen, miteinander kommunizieren und vernetzt zusammenarbeiten.
Keynotespeaker Dirk Ploss, Digital Technologies
Scouting and Advisory bei der Beiersdorf AG
Das Publikum, das nahezu vollzählig bis zur Keynote engagiert dabei war, wurde von Dirk Ploss, Digital Technologies Scouting and Advisory bei der Beiersdorf AG, mit einem besonderen Highlight belohnt. In seinem Vortrag zur "KI im Unternehmenseinsatz – Fluch oder Segen?" ließ der Referent keinen Zweifel daran, dass die Zukunft der Künstlichen Intelligenz (KI)oder noch treffender der Augmented Reality (AI) gehöre: "KI kann noch nicht alles, aber was sie kann, kann sie besser als der Mensch". Die Technologie sei die Quelle für Innovation, werde sich mit exponentiell zunehmender Geschwindigkeit entwickeln und sei in ihrer Wirkungskraft mit der Erfindung der Dampfmaschine zu vergleichen. Insbesondere mit dem Deep Learning, das Funktionen des menschlichen Gehirns nachbildet und Wahrscheinlichkeiten errechnet, würden erstaunliche Ergebnisse erzielt. Da KI extrem große Datenmengen in kürzester Zeit verarbeiten könne, arbeite die Technologie zuverlässiger, schneller und korrekter als das menschliche Gehirn.
Dass jede/-r Einzelne bereits KI nutze, zeigte Ploss anhand des Messengerdienstes "WhatsApp" und des Routenplaners "Google Maps" auf. Lernende Algorithmen können Texte schreiben, telefonisch Verabredungen treffen, Spiele erlernen, Muster/Gesichter erkennen und sogar "kreative" Leistungen erbringen, wie eine Symphonie komponieren oder im Stil eines bestimmten Malers zeichnen. Auf der Nutzenseite stehen für den Menschen Zeit für Kreativität, Sicherheit, Bequemlichkeit und Freiheit zur Selbstverwirklichung. Doch auch die Risiken stellte der Referent zur Diskussion: Arbeitslosigkeit, Überwachung, Killer-Drohnen, Fake News und Skynet.
Entscheidend sei beim Einsatz von KI, wie bei jeder technischen Entwicklung, die Anwendung durch den Menschen, denn KI arbeite ausschließlich regelbasiert, jedoch würden ein Bewusstsein sowie Empathie und Emotionen fehlen. Für die Anwendung im Unternehmen konnte der Speaker mit einigen positiven Beispielen aufwarten: größere Kundenorientierung durch KI-basierte Analyse von Kundenbewertungen, genauere Marketinganalysen durch Face Recognition oder intelligente Chatbots wie der Hebammendienst von Beiersdorf. KI zu nutzen und darauf basierende neue Geschäftsmodelle zu entwickeln ist eine Riesenchance für Unternehmen, die niemand verschlafen solle. Und so schloss der Referent mit einer Aufforderung von Alan Kay "The best way to predict the future – is to invent it".
Praxisforen | Unternehmen im Dialog
Forum 1 | Digitalisierung – wie verändern sich die Arbeit und die Anforderungen an die Mitarbeiter/-innen?
Forum 2 | Unternehmenskultur – wie gewinnen und halten Unternehmen die benötigten Mitarbeiter/-innen?
Forum 3 | Gesundheit – welche Herausforderungen und welche Chancen bietet die Digitalisierung?
Forum 4 | Digitale Bildung – wie schaffen wir eine neue Lernkultur?