Lernen und Arbeiten im 21. Jahrhundert

Fachkongress des ddn-Netzwerks Hamburg zur Digitalisierung der Arbeitswelt

04.12.2018

Unconscious Bias

HR Group in Kooperation mit Hamburg@work

 

KWB-Referentin Dr. Rita Panesar

"Wer Vielfalt leben möchte, muss das eigene Referenzsystem kennen, die Perspektive wechseln und sich in die Schuhe des Gegenübers stellen können", so das Fazit von Referentin Dr. Rita Panesar bei der vergangenen HR Group am 29. November. Die Gäste trafen sich dieses Mal zum Thema "Unconscious Bias: vorurteilsbewusst führen und zusammenarbeiten" und gingen gemeinsam mit Dr. Panesar der Frage nach, warum es auch vor allem aus Unternehmenssicht so wichtig ist, unbewusste Vorurteile in den Blick zu nehmen und alternative Kommunikations- oder Verhaltensweisen für die berufliche Praxis zu entwickeln, damit Vielfalt zum Normalfall wird.

 

 

 

 



Warum ist es aus Unternehmenssicht wichtig, das Thema "Unconscious Bias" (unbewusste Vorurteile) anzugehen?

 

Fachkräftemangel

Einer der Hauptgründe, sich aus Unternehmenssicht stärker mit dem Thema "Unconscious Bias" auseinanderzusetzen, sei heutzutage vor allem der Fachkräftemangel, erklärte Dr. Panesar. Wie unter anderem die Studie "Ausbildung 2017" des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) zeige, findet schon knapp jeder dritte Betrieb (31 Prozent) nicht mehr ausreichend Auszubildende für alle freien Plätze – zehn Jahre vorher waren es nur 12 Prozent. Trauriger Spitzenreiter ist das Gastgewerbe, in dem satte 61 Prozent der Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Die Bereiche Handel sowie Verkehr und Logistik liegen mit 33 Prozent aber ebenfalls etwas über dem Durchschnitt.

Für mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen (52 Prozent) ist der Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen der Zukunft, so eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Und der Demografie-Bericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2011 prognostiziert, dass die Zahl der erwerbsfähigen Personen bis 2050 auf 26,5 Millionen sinken wird – gab es im Vergleich 2010 bundesweit noch knapp 50 Millionen. Fest stehe also, viele von den Verbleibenden erwerbsfähigen Personen werden Migrationshintergrund haben, weiblich sein, gegebenenfalls körperliche Beeinträchtigungen haben und vor allem – schon etwas älter sein.

 

Wettbewerbsvorteil, Qualitätssteigerung,
Chancengerechtigkeit – es gibt viele Gründe, sich mit
"Unconscious Bias" im Unternehmen zu beschäftigen

Wettbewerbsvorteil, Qualitätssteigerung und Chancengerechtigkeit

Es lohne sich aber noch aus einem weiteren Grund, sich mit "Unconscious Bias" im Unternehmen zu beschäftigen, weiß Dr. Panesar. Sie führte zahlreiche Studien an, die bereits nachgewiesen haben, dass heterogene Teams, sehr viel produktiver sind als homogene Teams – wenn Vielfalt gemanagt wird. So steige laut der aktuellen McKinsey-Studie "Delivering Through Diversity" bei Unternehmen mit besonders ausgeprägter ethnischer Vielfalt die Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein um 33 Prozent.

In Deutschland sei der Effekt besonders deutlich, wie die Studie belegt: Bei deutschen Unternehmen mit einem hohen Anteil weiblicher Führungskräfte im Topmanagement verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit eines überdurchschnittlichen Geschäftserfolgs sogar.

Mit Blick auf die weiblichen Fachkräfte werde deutlich, dass sie in Deutschland nach wie vor sehr viel seltener in Führungspositionen als Männer kommen. "In den Vorständen der 200 größten deutschen Unternehmen zum Beispiel beträgt das Verhältnis Männer zu Frauen 11 zu 1", so Dr. Panesar. Nicht nur in Bezug auf Unternehmensgewinne – auch im Hinblick auf Chancengerechtigkeit – gehe es also darum, das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie weitreichend veraltete Rollenbilder das Kommunikations- und Entscheidungsverhalten in Wirtschaft und Gesellschaft bestimmen und Frauen von Spitzenpositionen fernhalten.

 

 

Dr. Rita Panesar ist systemische Organisations-
beraterin mit dem Schwerpunkt Diversity

Innovationsdruck

Auch der in den letzten Jahrzehnten durch die Globalisierung enorm gestiegene Innovationsdruck sei ein weiterer Grund, sich aus Unternehmensperspektive mit Vorurteilen zu befassen. Wer noch aus der Masse herausstechen möchte, müsse kreativ werden. Internationalität und Offenheit in einem Betrieb würden die Denkrichtungen der Belegschaft und dadurch ihre Kreativität erhöhen.

Es gäbe also gute Gründe, sich mit unbewussten Vorurteilen auseinanderzusetzen. Sie stehen der Fachkräftesicherung ebenso im Weg wie der Chancengerechtigkeit, der Innovation und letztlich auch dem Gewinn. Aber das Eingeständnis eigener Vorurteile und die Thematisierung struktureller Diskriminierung seien schwer, weil damit die eigene symbolische und faktische Bevorteilung thematisiert werde. Dies löse oft Schuldgefühle aus.




Wir alle haben Vorurteile und sind geprägt durch Vorurteile

 

"In Schubladen gesteckt zu werden macht wütend, aber auch traurig, es verletzt, beschämt – das sind alles Gefühle, die weder für den gesellschaftlichen Zusammenhalt noch für die Performance im Unternehmen hilfreich sind", erklärte Dr. Panesar. Es müsse also darum gehen, Strukturen zu schaffen, in denen diese Gefühle möglichst nicht ausgelöst werden, und dort, wo wir sie erleben, angemessene Interventionen zu finden. Sehr hilfreich sei in diesem Zusammenhang, dass es eine neue "Kultur des darüber Redens" gebe. Mit "me too" begann sie, durch "me two" wird sie mit Bezug auf den Bereich Migration fortgeführt und nun hat auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine entsprechende Seite eingerichtet: www.darueberreden.de.

 

 

Was können Unternehmen tun?

 

Kompetenz im Umgang mit Vielfalt heiße auch, Unsicherheit aushalten zu können. Fragen wie zum Beispiel "Wie sieht unsere Firma oder unser Außenauftritt aus der Perspektive eines 50-jährigen kurdischen Flüchtlings in Lüneburg aus?" oder "Wie aus der Sicht einer polnischen Jurastudentin?" oder "Wie aus der Sicht einer schwarzen Ärztin mit drei Kindern?" könnten einen ersten Anstoß zum Perspektivwechsel geben.

 

Hürden wie die gläserne Decke oder Sprachbarrieren abzubauen, seien lang andauernde Veränderungsprozesse, die man nur gemeinsam im Austausch, etwa in Change Teams, und mithilfe von Fortbildungen angehen könne. Und es handele sich um einen lebenslangen Lernprozess, von dem wir jedoch alle gleichermaßen profitieren, wenn wir uns mutig an den Abbau von Barrieren machen und Vielfalt tatsächlich zum Normalfall werden lassen.

 

 

Hilfreiche Orientierung bietet auch der Leitfaden "Wie interkulturelle Öffnung gelingt". Er richtet sich an alle Personen, die in ihrer Organisation einen Veränderungsprozess in Gang bringen möchten. Autorin Dr. Rita Panesar (KWB e. V.) erläutert die Schritte einer interkulturellen Öffnung in vier Phasen und zeigt verschiedene Handlungsmöglichkeiten auf. Best-Practice-Beispiele, praktische Hinweise sowie ein umfangreicher Serviceteil mit Anlaufstellen und Übungen sollen dabei helfen, interkulturelle Öffnungsprozesse in Organisationen anzustoßen und voranzubringen – viele Aspekte sind sehr gut auf den Unternehmensbereich übertragbar. Hier geht's zum PDF-Download.   

 

 

 

 

 

Über die HR Group

Die HR Group in Kooperation mit Hamburg@work ist ein Branchennetzwerk, das Personalverantwortlichen der Medien- und Digitalbranche eine Plattform bietet, um sich inhaltlich auszutauschen, zu motivieren, miteinander zu vernetzen und aktiv an der Ausgestaltung einer innovativen Personalentwicklungspolitik mitzuwirken.