Menschen mit Sehbehinderung auf dem Arbeitsmarkt

Forum Inklusion: Menschen mit Sehbehinderung

Technische Hilfsmittel machen Büroarbeit für Menschen mit Sehbehinderung unkompliziert möglich. Foto:© DBSV

Wie Unternehmen sich besser für Menschen mit Sehbehinderung als Kunden/-innen als auch Mitarbeiter/-innen öffnen und Barrieren durch einfache Hilfsmittel abbauen können, erfuhren die rund 50 Teilnehmenden des Forums Inklusion.

"Es fällt auf, dass Unternehmen mit einem höheren Grad der Digitalisierung mehr Menschen mit Behinderung beschäftigen", leitet Dr. Oliver Borszik die Veranstaltung ein. "Digitalisierung kann viele Barrieren abbauen und Teilhabe ermöglichen. Denn erst das Zusammenspiel aus Beeinträchtigung und Barriere führt zu einer Behinderung", so der Moderator des Forums. 

Unterschiedlicher Inklusions-Status bei den Teilnehmenden

Über eine digitale Abstimmung macht er die Zusammensetzung der teilnehmenden Unternehmen sichtbar. Es zeigt sich ein Querschnitt aus Unternehmen, die die Bewerbergruppe der Menschen mit Beeinträchtigung bereits im Blick haben und solchen, die diese bisher noch kaum berücksichtigen. 

 
 
Brailletastatur
Eine Brailletastatur ermöglicht blinden Menschen das Arbeiten am Computer.
Foto: © Gesellschaftsbilder/Michel Arriens

So berichtet beispielsweise Wolfgang Weymann aus dem Bereich Ausbildung bei der Deutschen Telekom AG: "Wir haben sehr gute Erfahrungen mit sehbehinderten und blinden Mitarbeitenden im Betrieb gemacht. Neben vielen individuellen Fähigkeiten können sie häufig besonders gut zuhören und zwischen den Zeilen lesen, was nicht nur als Mitarbeitender in der Serviceline eine hilfreiche Eigenschaft ist", so der Ausbildungsleiter. 

Andere sprechen in Bezug auf ihre Inklusionsbemühungen im Unternehmen von einem dicken Brett, das zu bohren sei. "Es herrscht Skepsis, ob Menschen mit Behinderung es im Arbeitsalltag packen könnten", so der Schwerbehindertenbeauftragte eines Unternehmens mit rund 800 Mitarbeitenden. "Dabei wissen es die Bewerberinnen und Bewerber selbst am besten, was sie sich zutrauen können."

Digitale Hilfsmittel für mehr Teilhabe

Annette Schacht
Annette Schacht vom BSVH veranschaulichte wie einfache Hilfsmittel Barrieren abbauen können.

Annette Schacht, Sozialberaterin beim Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg e. V. (BSVH), veranschaulicht in ihrem Impuls, welche Arten der Sehbeeinträchtigung es gibt und welche technischen Hilfsmittel diese am Arbeitsplatz ausgleichen können. "Eine simple Unterstützung mit großem Effekt ist eine gute Beleuchtung. Sie bringt nicht nur Vorteile für Menschen mit Sehbeeinträchtigung, sondern steigert auch das Wohlbefinden aller Mitarbeitenden." Größere Bildschirme, Punktschriftdrucker und Großschrift- oder Brailletastaturen sind technische Hilfsmittel, die vielen Menschen das Arbeiten am Computer erleichtern beziehungsweise ermöglichen. 

Vielen bislang unbekannt ist die OrCam. Die Brille beschreibt dem Tragendenden alles, worauf dieser zeigt, und liest auch Texte vor. "Der wichtigste Begleiter ist jedoch das Smartphone", so Annette Schacht. "Ein Screenreader liest vor, auf welcher App sich der Finger auf dem Touchscreen befindet und ermöglicht so die Nutzung von über 100 barrierefreien Apps." Ihren Vortrag zu den Potenzialen von Menschen mit Sehbehinderung schließt sie mit dem Appell: "Nutzen Sie all die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und lassen Sie Menschen mit Sehbehinderung teilhaben!"

Unterstützung bei der Karriereplanung durch Weiterbildung, Mentoring und mehr

Angebote des dvbs
Der DVBS hält auch für Unternehmen zahlreiche Angebot bereit, die Geschäftsführerin Marianne Preis-Dewey vorstellte.
 
 

Der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. (DVBS) setzt sich unter anderem dafür ein, dass Bewerber/-innen und Unternehmen zusammenfinden. "Über eine Mailingliste informieren wir über Stellen, die auch für blinde oder sehbehinderte Menschen geeignet sind", erklärt die Geschäftsführerin Marianne Preis-Dewey. "Denn unsere rund 1.400 Mitglieder wollen trotz Sehbehinderung ein selbstbestimmtes Leben führen und beruflich erfolgreich sein", fasst sie zusammen. 

Projekt agnes@work unterstützt Unternehmen

Den teilnehmenden Unternehmen legt Marianne Preis-Dewey das Projekt agnes@work nahe. Dabei unterstützen multiprofessionelle Expertenteams Unternehmen zu allen Fragen rund um die Beschäftigung und berufliche Weiterbildung von sehbeeinträchtigen Erwerbstätigen. Sie beraten gezielt am Arbeitsplatz und bieten Information, Fortbildung und Vernetzung für die Beteiligten innerhalb sowie außerhalb des Betriebs. Zudem stellt das Projekt Akteuren der "Nationalen Weiterbildungsstrategie", der beruflichen Eingliederung und Bildungsanbietern Know-how zu den Themen Barrierefreiheit und Inklusion zur Verfügung. 

Mentoring-Programm zur beruflichen Entscheidungsfindung

Johannes Wessiepe
Der ehemalige Mentee Johannes Wessiepe berichtete von seinen Erfahrungen mit dem Mentoren-Programm, das ihn zum dualen Studium geführt hat.

Eines der DVBS-Angebote ist das Mentoring-Programm TriTeam. So fanden auch Mentee Johannes Wessiepe und Mentor Jörg Korinek zusammen. "Ich hatte erfolgreich mein Musikstudium abgeschlossen, aber konnte den Beruf des Musikers wegen meiner fortschreitenden Sehbeeinträchtigung nicht ausüben", erzählt Johannes Wessiepe. "Das Mentoring hat mir sehr bei der Umorientierung geholfen. Ich wusste, wo ich hinwollte, aber nicht wie ich dahinkomme." Die Beratung und die gemeinsamen Abwägungen mündeten in der Entscheidung für ein duales Studium der Wirtschaftsinformatik mit der Studienrichtung Software-Engineering.

"Jörg Korinek hat seine Erfahrungswerte eingebracht, mich auf Bewerbungsgespräche vorbereitet und wusste auch, wo ich welche technischen Hilfsmittel bekomme", berichtet Johannes Wessiepe. "Dadurch konnte ich schnell und zielgerichtet ins Studium starten." Und das sehr erfolgreich – im September schließt Johannes Wessiepe sein duales Studium bei der Deutschen Post in Köln ab. 

Tipps für einen barrierefreien Internetauftritt

Simone Lerche
Simone Lerche von der DIAS GmbH vermittelte den Teilnehmenden viele hilfreiche Tipps, um eine Website barrierefreier zu gestalten.

Wie Unternehmen ihren Internetauftritt gestalten können, um sich Menschen mit Sehbehinderung zu öffnen und sich als modernes Unternehmen zu präsentieren, erläutert Simone Lerche. "Wenn Sie ihre Website ohne Maus, komplett mit der Tastatur bedienen können, dann haben Sie schon mal ein wichtiges Kriterium der Barrierefreiheit erfüllt", so die Referentin im Projekt "Team Usability" bei der DIAS GmbH. Ein guter Kontrast, die Kennzeichnung von Links durch beispielsweise Unterstrich und nicht nur durch Farbe sowie aussagefähige Alternativtexte für Bilder erleichtern die Nutzung bei eingeschränkter Sehfähigkeit. Die barrierefreie Gestaltung der Webangebote sei nicht nur für Mitarbeitende und Kunden/-innen hilfreich. Sie gewinne auch durch den European Accessibility Act an Bedeutung. Diese EU-Richtlinie fordert Unternehmen zu mehr Barrierefreiheit auf. 

Inklusionspreis der Wirtschaft

Mit eine Live-Umfrage über Mentimeter fragt Oliver Borszik abschließend den Umsetzungsstand von Inklusion in den Unternehmen ab. "Allen Unternehmen, die sich bereits gut aufgestellt sehen, empfehle ich die Teilnahme am Inklusionspreis der Wirtschaft. Dazu haben Sie noch bis zum 30. April 2021 die Gelegenheit." Viele weitere Servicetipps und hilfreiche Links erhielten die Teilnehmenden im Chat.

Fazit zum Forum Inklusion 

Dr. Oliver Borszik
Dr. Oliver Borszik vom Projekt "Fachkräfte für Hamburg" moderierte das Forum Inklusion.

"Die Anmeldezahl macht die zunehmende Öffnung und das Interesse von Unternehmen an dem Thema inklusive Ausbildung und Arbeit deutlich", resümiert Jutta Spormann. Die Referentin für Arbeitsmarktpolitik in der Sozialbehörde ist an der Planung des Forums Inklusion maßgeblich beteiligt. "Das ist eine positive Entwicklung", freut sich auch Oliver Borszik. "Mit dem Forum möchten wir ermutigen, noch mehr Inklusion in Unternehmen umzusetzen!"

Wenn Sie zum nächsten Forum Inklusion eingeladen werden möchten oder thematische Anregungen haben, dann melden Sie sich gerne bei Oliver Borszik (oliver.borzik@kwb.de).

Material und Informationen zum Thema Arbeiten mit Sehbeeinträchtigung

Screenshots: © KWB

Kontakt

Janna Bischoff
Tel.: 040 334241-461 

Dr. Oliver Borszik
Tel.: 040 334241-336

Anika Dickmann
Tel.: 040 334241-419

Dr. Rita Panesar
Tel.: 040 334241-422

Tara de Pinho
Tel.: 040 334241-420

Susanne Sabisch-Schellhas
Tel.: 040 334241-415


Das Projekt "Fachkräfte für Hamburg" wird von der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration der Freien und Hansestadt Hamburg im Rahmen des
Aktionsbündnisses für Bildung und Beschäftigung Hamburg – Hamburger Fachkräftenetzwerk finanziert.